Valentino B.

Gerne in Bewegung - trotz Taubblindheit

Mag es, wenn etwas läuft: Valentino B. hat grosse Pläne.

Valentino B. meistert seinen Alltag trotz abnehmendem Augenlicht und Hörsinn mit Bravour. Und er ist positiv eingestellt, was seine Zukunft angeht. Denn eines kommt für ihn nicht in Frage: aufgeben.

«Darf ich Ihnen einen Kaffee oder Espresso anbieten?», fragt Valentino B. als perfekter Gastgeber. Wir nehmen dankend an. Der 42-jährige Ehemann und Vater eines Zehnjährigen zückt sein Handy, schaltet die Kamera ein und hält sie vor den kleinen Bildschirm des Kaffeevollautomaten. «Die Kamera vergrössert und hellt die Schrift auf, so kann ich die Anzeige besser lesen. Dieser Trick ist mir selbst eingefallen.» Die Espressi sind fertig, geschickt serviert Valentino B. die kleinen Tassen. Auf den ersten Blick sieht man ihm nicht an, dass er nur mithilfe seiner Hörgeräte hört und kaum etwas sieht – so zielsicher bewegt er sich durch die Wohnung.

Späte Diagnose

Valentino B. ist von Geburt an schwerhörig. Ungefähr mit zehn Jahren entdeckt er, dass er auch schlechter sieht. Beim Spielen in der Dämmerung stolpert er häufig: «Meine Freunde lachten mich scherzhaft aus, ich dachte mir nichts weiter dabei.» Nach Abschluss der Schule fand er schnell eine Lehrstelle: «Ich schloss erfolgreich eine Ausbildung als Koch ab und arbeitete einige Jahre in dem Beruf. Wenn ich mich schnitt, weil ich schlecht sah, sagte ich niemandem etwas. Ich wollte meinen Job behalten.» Erst mit Anfang 20 erfährt Valentino B. dank medizinischer Abklärungen, dass er an der Erbkrankheit Usher Typ 2 leidet – einer angeborenen, hochgradigen Schwerhörigkeit, die im Laufe des Lebens zur Erblindung führt.

Beginnende Schwierigkeiten im Berufsleben

Doch er geht weiter seinen Weg. Weil sein abnehmendes Sehvermögen die Arbeit in der Küche unmöglich macht, arbeitet er fünf Jahre in der Produktion eines Basler Pharmakonzerns. «Für mich war diese Stelle zu jener Zeit ideal. Ich kannte die Arbeitsumgebung und jeden Handgriff, dafür reichte mein Augenlicht aus.» Als sich sein Sehvermögen weiter verschlechtert, schult er zum medizinischen Masseur um. Doch trotz zahlreicher Bewerbungen findet er keine Anstellung: «Es war jedes Mal das Gleiche. Sobald ich meine Hörsehbehinderung erwähnte, warf man mich – natürlich umschrieben mit einer höflichen Floskel – aus dem Bewerbungsverfahren. Meine Enttäuschung war gross.»

Raus aus dem Tief

Vor ungefähr drei Jahren verschlechterte sich das Sehvermögen rapide – heute bleiben ihm nur noch 3 bis 5 Prozent Restsehvermögen: «Die drohende Erblindung zog mich runter. Ich wusste zeitweise nicht mehr weiter. Die Situation belastete mich und meine Familie sehr.» Im Augenblick der grössten Not vermittelt der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen (SZBLIND) psychologische Unterstützung. Valentino B. lernt Strategien, um besser mit seiner Behinderung umgehen zu können. «Offen über die Hörsehbehinderung und die Ängste reden hilft», ist er überzeugt. Wenn er heute demotiviert ist, weiss er sich zu helfen: «Positiv denken ist das Wichtigste.»

«Im Augenblick der grössten Not war der SZBLIND für mich und meine Familie da.»

Mit gezielter Unterstützung wieder bergauf

Seit dem Tief vor drei Jahren hat sich in seinem Leben viel geändert. Zunächst unterstützt ihn der SZBLIND bei der Beantragung einer vollen IV-Rente. Eine grosse Entlastung für die Familie. Während die Frau von Valentino B. Vollzeit arbeitet, führt er so gut wie möglich den Haushalt, kocht und kümmert sich um den gemeinsamen Sohn. Um einzukaufen oder wenn er einen Termin ausserhalb seines Wohnorts hat, vermittelt ihm der SZBLIND eine freiwillige Begleitperson. «Eigentlich bin ich der perfekte Hausmann. Ich kann kochen und massieren», scherzt er.

Lange Zeit will Valentino B. keinen weissen Stock benutzen, denn er schämt sich. Bis zu dem Moment als ihn am Basler Bahnhof zwei Polizisten anhalten: Warum er so langsam laufe und sich so verdächtig umsehe. «Die haben mich glatt für einen Drogendealer gehalten. Da wusste ich, ich muss etwas ändern.»

Mit Offenheit gegen Berührungsängste

Letztes Jahr hat er ein Mobilitätstraining mit dem weissen Stock absolviert. «Die Trainerin des SZBLIND hat mit mir zwei bis drei Mal pro Woche geübt. Auch nachts. Jetzt fühle ich mich sicher.» Die anfängliche Hemmung, mit dem Stock rauszugehen, hat er abgelegt. «Viele Leute sind verunsichert, wenn sie mich mit dem weissen Stock kommen sehen. Doch ich gehe auf die Menschen zu und spreche sie an. Das baut ihre Berührungsängste ab.»

Seit kurzem hat er zudem den ultimativen «Eisbrecher» an seiner Seite: Dylan, einen zum Blindenführhund ausgebildeten Labrador. Der Hund erleichtert ihm nicht nur den Alltag, sondern auch den Kontakt zu den Mitmenschen. Täglich gehen sie hinaus an die frische Luft und üben auf sicheren Wegen sogar, wie sich völlige Blindheit anfühlt. «Ich will vorbereitet sein», sagt Valentino B. Doch noch ist es nicht soweit.

Im Gegenteil: Für dieses Jahr hat er sich viel vorgenommen. «Ich will lernen, Tandem zu fahren, und mit meinem Hund Dylan auch an den SZBLIND-Veranstaltungen teilnehmen. Erstens liebe ich es, wenn etwas läuft. Und zweitens tut mir der Austausch mit anderen Betroffenen sehr gut.» Und er fügt an: «Ich danke all jenen, die mit ihrer Spende die Arbeit des SZBLIND für Menschen wie mich möglich machen. Ich weiss nicht, wo ich ohne den SZBLIND heute wäre.»

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